Sprechfunkverkehr und Funkdisziplin
von Reinhard Mahlknecht

Mit diesem Artikel soll ein bisher vernachlässigter Themenbereich angesprochen werden, nämlich die Sprache im Funkverkehr und die Funkdisziplin.

Der Funkverkehr ist nach wie vor das wichtigste und zuverlässigste Kommunikations- und Dokumentationssystem im Rettungsdienst. Dokumentationssystem deshalb, da zusätzlich zum Sprechfunk auch Daten übermittelt werden, die aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zur Dokumentation des zeitlichen Ablaufs eines Rettungseinsatzes vorgesehen sind. Für den Umgang mit diesem sensiblen und wichtigen Instrument sind klare Regeln erforderlich, die bis jetzt zwar in der WK-internen Ausbildung vermittelt wurden, in der Praxis aber eher halbherzig umgesetzt wurden und werden.
Aus diesem Grund wurde mit den Verantwortlichen der Landesnotrufzentrale 118 ein Regelwerk erstellt, das für alle Beteiligten eines Rettungseinsatzes, RTW/NAW-Besatzung und Disponenten, als verbindlich anzusehen ist.
In diesem Beitrag werden die nunmehr offiziellen Regeln der Funkdisziplin im Rettungsdienst vorgestellt. Innerhalb dieses Sommers sind Informationsveranstaltungen in den Bezirken zu diesem Thema geplant, bei denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Organisation genau zu den Rechten und Pflichten bei der Benützung des Funkverkehrs informiert werden.

Hintergrundinformation und Dokumentationssysteme

Funkkanal
Eine uns zur Verfügung stehende Funkfrequenz wird als Kanal mit einer zugewiesenen Nummer gekennzeichnet. So wird z. B. der Funkverkehr zwischen bodengebundenem Rettungsdienst und Landesnotrufzentrale auf "Kanal 81" abgewickelt.
In der Regel sind alle Einsatzfahrzeuge entsprechend ihrer Aufgabenstellung so programmiert, dass beim Einschalten des Funkgeräts bereits der richtige Funkkanal am Gerät aktiviert ist. So wird z. B. jeder Rettungswagen auf Kanal 81 programmiert sein, ein KTW in Meran auf Kanal 2, ein KTW in Bozen auf Kanal 3 usw. Ein Wechsel des Kanals wird nur auf Geheiß der zuständigen Einsatzzentrale vorgenommen.

Beispiel
Die Bezirkszentrale beauftragt einen KTW zum Wechsel vom lokalen WK-Kanal auf den Kanal 81 der Landesnotrufzentrale, um einen Rettungseinsatz durchzuführen. Nach Beendigung des Auftrags meldet sich der KTW per Selektivruf bei der Landesnotrufzentrale 118 ab und ebenfalls per Selektivruf wieder auf dem lokalen WK-Kanal bei der Bezirkszentrale wieder an.

Zuordnung der Funkkanäle im Rettungsdienst und Krankentransport

RETTUNG

KRANKENTRANSPORT

RTW und NAW

Kanal 81 Bezirk Pustertal Kanal 1
Flugrettung Kanal 82 Bezirk Meran/Vinschgau Kanal 2
Bergrettung Kanal 83 Bezirk Bozen/Land Kanal 3
  Bezirk Brixen Kanal 4

Kodifizierung der Einsatzaufträge und Dokumentation

Entsprechend den Vorgaben des M. D. vom 27. 3.1992 sind die Einsätze aufgrund der Dringlichkeitsbeurteilung durch die Landesnotrufzentrale kodifiziert an die Rettungsmittel weiterzuleiten.
Zur Erinnerung nochmals die Bedeutung der Kodexe

KODEX ROT
Der Einsatz ist mit Sondersignal und ohne Zeitverzögerung durchzuführen. Dies gilt für alle Rettungsmittel, unabhängig davon ob es sich um einen KTW, RTW oder NAW/NEF handelt.

KODEX GELB
Der Einsatz ist sofort und ohne Zeitverzögerung durchzuführen, allerdings hat die Anfahrt ohne Sondersignal zu erfolgen. Auch dieser Kodex gilt für alle Rettungsmittel.

KODEX GRÜN
Der Einsatz ist mit einer maximalen Zeitverzögerung von 10 Minuten durchzuführen. Die Anfahrt hat ohne Sondersignal zu erfolgen. Auch dieser Kodex gilt für alle Rettungsmittel.

KODEX WEISS
Dieser Kodex ist dem programmierbaren Krankentransportdienst zugewiesen.

Diese Kodifizierungen, festgelegt durch die Landesnotrufzentrale, beruhen also auf die Beurteilung der Dringlichkeit des Notfalls durch die Landesnotrufzentrale und sind für die Rettungsmittel somit auch ein verbindlicher Indikator zur Nutzung der Sondersignale. Nachdem der Faktor Zeit bei einem Rettungseinsatz nicht nur im Sinne der Rettungskette, sondern auch im juristischen Sinne wichtig ist, wird der zeitliche Einsatzverlauf durch die Besatzung des Rettungsmittels festgehalten. Dies erfolgt wiederum mit Hilfe des Funknetzes, durch Betätigung der entsprechenden Statustasten auf dem mobilen Funkgerät des Einsatzfahrzeuges. Auch diese Form der Dokumentation ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben.

Statusmeldung 1 Abfahrt zum Einsatzort
Statusmeldung 2 Ankunft am Einsatzort
Statusmeldung 1 Beginn des Patiententransports ins Krankenhaus
Statusmeldung 3 Ankunft im Krankenhaus
Statusmeldung 3 Das Rettungsmittel ist wieder in der Rettungswache

Patientenbeurteilung durch die Besatzung des Rettungsmittels

Während, wie bereits beschrieben, die erste Patientenbeurteilung durch die Landesnotrufzentrale durchgeführt wird, erfolgt die weitere Patientenbeurteilung durch die Besatzung des Rettungsmittels vor Ort. Diese Beurteilung ist in erster Line für statistische Zwecke vom Gesetzgeber vorgesehen und ist nicht mit einer Patientenbeschreibung oder gar einer Lagemeldung gleichzusetzen, dazu im Abschnitt Funkdisziplin und -ordnung aber mehr.

Bedeutung der INDIA-Bewertung nach M-D. vom 27.03.1992

INDIA 0 Der Patient bedarf keiner Behandlung und keines Transports
INDIA 1 Patient mit leichter Erkrankung oder Verletzung
INDIA 2 Patient mit schwerer Erkrankung oder Verletzung
INDIA 3 Patient mit Bedrohung der lebenswichtigen Funktionen
INDIA 4 Patient verstorben

Hinweise: Im Beisein eines Arztes wird die INDIA-Bewertung von diesem - und nicht von anderen - festgelegt. Die INDIA-Meldung kann unmittelbar vor oder nach den Senden der Statusmeldung 2 - Beginn des Patiententransports ins Krankenhaus - durchgeführt werden.

Wie setzt man die Sondersignale beim Patiententransport ins Krankenhaus ein?
Der von der LNZ dem Notfall zugeordneten Dringlichkeitskodex hat nur bis zur Ankunft an den Einsatzort Gültigkeit. Ob beim Transport ins Krankenhaus das Sondersignal verwendet wird oder nicht, ist eine Entscheidung des Fahrers bzw. des Notarztes, wenn mit an Bord. Dieses Verhalten ist auch von der Straßenverkehrsordnung so vorgesehen.
Wir empfehlen einen Transport ins Krankenhaus mit Sondersignal erst ab einer Patientenbeurteilung der Bewertungsstufe INDIA 2 durchzuführen, was nicht heißen soll, dass alle Transporte mit Patientenbewertung INDIA 2 mit Sondersignal durchzuführen sind. Die Situationen können sehr unterschiedlich sein, auf jedem Fall erfolgt der Transport in Verantwortung des Fahrers. Der Transport mit Sondersignal zum Krankenhaus muss der Landesnotrufzentrale mitgeteilt werden. Es empfiehlt sich, dies zusammen mit der INDIA-Bewertung mitzuteilen. Der richtige Begriff ist "Transport mit Sondersignal" und nicht "Kodex Rot", da die Einsatzkodexe wie bereits beschrieben eine andere Bedeutung haben.

Funkordnung und -Disziplin

Die Abwicklung des Sprechfunkverkehrs unter Einhaltung von definierten und verbindlichen Regeln ist mit ein Garant für eine klare Auftragsstellung und die Vermeidung von Fehlern, die aus einer oberflächlich durchgeführten Kommunikation gravierende Auswirkungen auf den Rettungseinsatz haben können. Nachfolgend wird anhand eines Einsatzbeispieles die ab sofort gültige Funkordnung vorgestellt.

1. Kontaktaufnahme durch die LNZ 118 mit dem RTW
Die Kontaktaufnahme erfolgt durch Auslösen des Selektivrufs des Rettungsmittels.

Die LNZ 118 erhält durch die vom Rettungsmittel gesendete Tonruffolge eine Empfangsbestätigung für die Auslösung des Alarms.

2. Antwort auf die Kontaktaufnahme durch den RTW Weiter für WK 405

Bei der eigenen Identifikation ist die Nennung der eigenen Selektivnummer wichtig, damit die LNZ mehrere Rettungseinsätze gleichzeitig bearbeiten kann. Daher genügt ein einfaches "Weiter" nicht. Zusätzlich ist zu bemerken, dass bei Nutzung der Handfunkgeräte oft nicht dieselbe Sprachqualität wie bei den Fahrzeugfunkgeräten erreicht wird. Befindet sich die angesprochene Besatzung also nicht zu weit vom RTW entfernt, empfiehlt es sich sofort das Funkgerät des Fahrzeuges zu nutzen.

3. Durchsage des Einsatzauftrages durch die LNZ 118 Für WK 405 - Kodex ROT - Bozen - Mustergasse 10 / intern 10 - Familie Mustermann - Sturz im Treppenhaus

Die LNZ 118 nennt zur Sicherheit nochmals die Selektivrufnummer des angesprochenen Einsatzfahrzeuges. Es erfolgt die genaue Angabe des Dringlichkeitskodexes und des Einsatzortes. Am Ende erfolgt eine kurze Beschreibung zur Art des Notfalls.

4. Bestätigung des Einsatzauftrages durch den RTW WK 405 verstanden, Bozen - Mustergasse 10/intern 10 - Familie Mustermann - Kodex ROT

Das Einsatzfahrzeug identifiziert sich somit nochmals und bestätigt die Angaben zu Einsatzort und Dringlichkeitskodex. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ortsangabe des Einsatzortes jetzt noch falsch wiedergegeben bzw. verstanden wird, ist somit auf ein Minimum reduziert. Zusätzlich wird durch die nochmalige Nennung des Einsatzortes die "Merkfähigkeit" der RTW-Besatzung gestärkt, sodass Anfragen an die LNZ zur Wiederholung des Einsatzortes reduziert werden, was eine Reduzierung des Funkverkehrs bedeutet.

5. Lagemeldung nach Eintreffen am Einsatzort durch den RTW

Eine Lagemeldung wird unter folgenden Voraussetzungen durchgeführt:
a) immer bei Einsatzauftrag mit KODEX ROT
b) bei Einsätzen, die nicht mit KODEX ROT vergeben wurden, bei denen sich aber die Situation nach Eintreffen am Einsatzort anders darstellt als beim Einsatzauftrag.
Die Lagemeldung ist so kurz und präzise wie möglich durchzuführen. So wird z. B. in vielen Fällen bei Einsatzauftrag KODEX ROT durch einen RTW die Lage entsprechend dem Einsatzauftrag bestätigt und der Hinweis gegeben, dass kein Notarzt erforderlich ist. Dieses Vorgehen erleichtert die Disposition der Rettungsmittel.
Eine Lagemeldung soll in Abhängigkeit von der Situation folgende Elemente beinhalten, wie:

  • Art der Verletzung / Symptome
  • Anzahl der Verletzten
  • rettungstechnische Probleme (eingeklemmte Person, Brand usw.)
  • besondere Umstände, die Einfuss auf die Rettung / Versorgung haben .

6. Beantwortung des Selektivrufs durch die LNZ 118 Weiter für WK 405

7. Durchsage der Lagemeldung durch den RTW WK 405 Lagemeldung: Lage bestätigt - Patient stabil - kein Notarzt erforderlich.

Das Einsatzfahrzeug identifiziert sich und leitet den Funkspruch mit "Lagemeldung" ein.

8. Bestätigung des Erhalts der Lagemeldung durch die LNZ 118 Zentrale verstanden

Der weitere Einsatzverlauf wird nur mehr durch die Sendung der Statusmeldungen dokumentiert. Die Patientendaten werden am Einsatzende telefonisch übermittelt.

 

Patientenbeschreibung

Eine Patientenbeschreibung wird nur dann durchgeführt, wenn ein Patient im Krankenhaus angemeldet werden muss. Kriterien dazu sind:

a) immer bei einer Patientenbeurteilung INDIA 3
b) zusätzlich bei INDIA 2, wenn folgende Notfälle vorliegen:

  • Verbrennungen
  • offene Frakturen
  • Amputationsverletzungen
  • einsetzende Geburt
  • andere besondere Situationen

Strukturierung der Patientenbeschreibung bei der Durchsage über Sprechfunkgerät:
Gesprächseinleitung wie Punkt 7 (Verwendung des Begriffs Patientenbeschreibung statt Lagemeldung), weiters

  • Nennung der Stammpathologie (Art der Verletzung)
  • Patient intubiert?
  • voraussichtliche Ankunftszeit im Krankenhaus

Mit dieser verbindlichen, einfachen Vorgangsweise und den klar definierten Begriffen wie "Lagemeldung" und "Patientenbeurteilung" nach ihrer Bedeutung und Zielsetzung muss ein klarer und einheitlicher Umgang mit dem Sprechfunk durch alle Beteiligte realisiert werden.